Jenaer Baulandmodell Wohnen
Im April 2024 wurde der politische Grundsatzbeschluss zum „Jenaer Baulandmodell Wohnen“ durch den Stadtrat der Stadt Jena gefasst (Nr. 24/2354-BV). Dieser stellt die Weichen für die strategische Neuausrichtung der Flächenvorsorge und einer sozial gerechten Wohnbaulandentwicklung in Jena.
Bereitstellung von sozialem Wohnraum
Das Jenaer Baulandmodell ist ein strategisches Konzept zur Steuerung der Bodennutzung. Übergeordnetes Ziel ist dabei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in ausreichendem Umfang und bedarfsgerechter Qualität. Durch Vorgabe einer Mindestquote von 30 Prozent für sozialen Wohnungsbau wird – unter der Voraussetzung einer angemessenen Fördermittelbereitstellung durch den Freistaat Thüringen – Wohnraum für einkommensschwächere Haushalte geschaffen.
Strategischer Flächenerwerb
Mit dem Jenaer Baulandmodell möchte die Stadt zukünftig eine aktive Rolle in der Baulandentwicklung einnehmen und nutzt dafür das Planungsrecht, liegenschaftliche Beteiligung und städtebauliche Verträge. Die Stadt erwirbt proaktiv Flächen, um ihre sozialpolitischen, städtebaulichen und ökologischen Ziele umzusetzen.
Kooperative Baulandentwicklung
Sie sieht sich hier jedoch nicht als Einzelkämpfer, sondern verfolgt eine kooperative Baulandentwicklung. Daher wird auch in Zukunft die Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Akteuren bei der Entwicklung von Wohnbauland ein wichtiger Baustein der Jenaer Baulandpolitik sein. Durch klare und verbindliche Vorgaben wissen Bauträger und Investoren, welche Anforderungen sie erfüllen müssen, während Bürgerinnen und Bürger von einer planvollen Stadtentwicklung profitieren. Im Sinne einer sozialgerechten Bodennutzung sollen die Planungsbegünstigten angemessen an den ursächlichen Kosten der Baulandentwicklung beteiligt werden. Dazu gehört beispielsweise die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen, öffentlichen Grünflächen oder Kitas.
Effekte einer aktiven Bodenpolitik
Das Baulandmodell kann darüber hinaus Anreize für eine kompakte, ressourcenschonende Bebauung schaffen und somit zur Reduzierung des Flächenverbrauchs beitragen. Durch eine aktive Bodenpolitik nimmt die Stadt Jena Einfluss auf den Wohnbaulandmarkt und die Bodenpreisentwicklung und reagiert auf den angespannten Wohnungsmarkt.
Ausgangslage
Angespannter Wohnungsmarkt
Jena gehört zu den wenigen Städten in den neuen Bundesländern mit einer seit dem Beginn der 2000er-Jahre kontinuierlich wachsenden Bevölkerungszahl. In Verbindung mit einer gestiegenen Zahl der statistischen Haushalte, einer seit 2016 kontinuierlich gesunkenen Bautätigkeit und einer sehr geringen Leerstandsquote von 2,1 % (Stand 2023, entspricht ca. 1.250 Wohnungen) führt dies in Jena zu einem angespannten Wohnungsmarkt. Um als Oberzentrum weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und Wohnraum für Fachkräfte bereitstellen zu können, ist ein entsprechendes Wohnraumangebot erforderlich.
Kommunales Flächeneigentum
Die „Wohnbauflächenkonzeption Jena 2035“ definiert die bis 2035 zu erwartende qualifizierte Nachfrage nach Wohnraum sowie die notwendigen potenziellen Wohnbauflächen. Die Fortschreibung des gesamtstädtischen Flächennutzungsplanes (FNP) berücksichtigt diese Flächenkulisse. Jedoch sind diese städtebaulichen Konzeptionen für eine rasche Baulandmobilisierung allein nicht ausreichend. Verfügt die Stadt über eigene Flächen, kann sie Einfluss auf die sozialpolitischen, städtebaulichen, ökologischen und fiskalischen Ziele der Stadtentwicklung nehmen. Grundstücke im kommunalen Eigentum sind jedoch sehr begrenzt vorhanden, der Flächenerwerb gestaltet sich aufgrund des angespannten Marktes schwierig. Nur etwa 12 Prozent aller Wohnbauflächenpotenziale der „Wohnbauflächenkonzeption Jena 2035“ befinden sich im Eigentum der Stadt.
Sozialer Wohnraum
Ohne eine langfristige Bodenbevorratung kann eine sozialverträgliche Wohnraumversorgung über die Schaffung von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum bzw. Konzeptvergabe und eine zügige Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum nicht abgesichert werden. Für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte sind vor allem öffentlich geförderte Wohnungen von Bedeutung. Ihr Bestand hat allerdings seit 2015 deutlich abgenommen. Ergänzender geförderter Wohnungsbau konnte aufgrund der aktuellen Fördermittelbedingungen der Legislatur bis 2024 im Freistaat Thüringen nicht in erforderlichem Umfang erfolgen.
Das knappe Angebot an Wohnraum befördert das Ansteigen der Mieten und Baulandpreise – diesem kann nur durch eine Angebotserhöhung entgegengewirkt werden. Die künftige städtische Baulandpolitik ist daher von zentraler Bedeutung für eine nachhaltige sozial- und klimagerechte Stadtentwicklung.
Ulmer Modell
Verschiedene Kommunen in Deutschland verfügen bereits über ein Baulandmodell und wenden es im Sinne einer sozialgerechten Bodennutzung an. Dazu gehören beispielsweise Stuttgart, München, Potsdam oder Münster. Das „Ulmer Modell“, welches einigen Städten dabei als Orientierung diente, wird in der Stadt Ulm seit den 1890er Jahren praktiziert und basiert insbesondere auf dem Grundsatz, dass die Stadt Grundstücke frühzeitig ankauft und in eigener Hand behält, um eine langfristige und nachhaltige Stadtentwicklung zu steuern.
Gemäß dem Stadtratsbeschluss „Vom Ulmer Modell zum Jenaer Modell“ (21/0977-BV vom 08.12.2021) bildete sich eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Stadtverwaltung, des städtischen Eigenbetriebs KIJ sowie Vertretern aller Stadtratsfraktionen, um in Anlehnung an das „Ulmer Modell“ der Bodenvorratsplanung ein „Jenaer Modell“ zu erarbeiten. Als Ergebnis eines intensiven Arbeitsprozesses und im Austausch mit anderen Kommunen wurde festgestellt: Für ein Baulandmodell gibt es keine Blaupause.
Das Jenaer Modell muss die individuellen Rahmenbedingungen der Stadt und den damit verbundenen starken Restriktionen (Lage, Topografie, Naturschutz, Überschwemmungsgebiete, siedlungsstrukturelle Besonderheiten, eingeschränkte Flächenverfügbarkeit, begrenzte finanzielle und personelle Kapazitäten, etc.) zugeschnitten sein.
Leitbild der Jenaer Wohnbaulandpolitik
Mit dem politischen Grundsatzbeschluss wurden die folgenden sieben Punkte als Leitbild der Jenaer Wohnbaulandpolitik durch den Stadtrat bestätigt:
- Die Stadt Jena verfolgt das Ziel einer nachhaltigen und sozial ausgewogenen Entwicklung des Wohnungsbaus durch die bedarfsgerechte Schaffung von Wohnraum in einer sozialpolitischen und preisstabilisierenden Zielgröße basierend auf der jeweils gültigen Fassung der Wohnbauflächenkonzeption. Dies entspricht aktuell einer Zielgröße von 4.830 Wohnungen bis 2035.
- Die Stadt Jena forciert einen strategischen Flächenerwerb und die langfristige Vorhaltung von Schlüsselgrundstücken entsprechend ISEK-Schlüsselvorhaben Nr. 9 „Strategisches Flächenmanagement“ mit dem Ziel, die kommunalen Handlungsspielräume der Stadt Jena im Sinne des Allgemeinwohls langfristig auszubauen.
- Die Stadt Jena befördert die Umsetzung der sozialpolitischen Ziele sowie der Klimaschutzziele durch die bedarfsgerechte Einleitung von Bauleitplanverfahren zur Schaffung von Baurechten und forciert dabei insbesondere die Entwicklung von Wohnbauflächen in kommunaler Hand.
- Die Stadt Jena steuert weiterhin die Vergabe von kommunalen Baugrundstücken aktiv über die Konzeptvergabe und die Richtlinie über die Kriterien basierte Vergabe von Eigenheimgrundstücken (Eigenheimrichtlinie).
- Die Stadt Jena setzt weiterhin auf das Engagement und die Einbindung Privater in die Baulandentwicklung, sofern diese quantitative sowie qualitative wohnungsstrukturelle Vorgaben umsetzen bzw. Bindungen eingehen.
- Die Stadt Jena strebt eine angemessene und gerechte Verteilung der Bauland-Entwicklungskosten zwischen den Planungsbegünstigten und ihr selbst an.
- Die Stadt Jena verfolgt fortwährend die Erhaltung und Entwicklung Jenas als „Stadt der kurzen Wege“ durch eine klimaverträgliche Ergänzung vorrangig kernstadtnaher, kompakter und nutzungsgemischter Strukturen mit klima- und stadtbildverträglicher Dichte und durch die Integration von urbanem Grün gemäß dem Leitbild der „doppelten Innenentwicklung“.
Dieses Leitbild baut auf bereits bestehenden Stadtratsbeschlüssen zur Jenaer Wohnungspolitik auf.
Verstetigung der Wohnungspolitik: Richtlinien und Konzeptvergabe
Um innerhalb der Stadt ein qualitativ ausreichendes Wohnungsangebot für die weitere nachhaltige und sozial ausgewogene Entwicklung des Wohnungsmarktes im Oberzentrum Jena bereitzustellen, wurde mit dem Stadtratsbeschluss „Verstetigung der Wohnungspolitik für Jena: Richtlinien und Konzeptvergabe“ (20/0482-BV vom 14.10.2020) das preisstabilisierende sozialpolitische Ziel zur Schaffung von 4.830 Wohneinheiten bis 2035 beschlossen.
ISEK Jena 2030+
Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept Jena 2030+ (ISEK, StR-Beschluss 17/1632-BV) wird im Schlüsselvorhaben Nr. 9 zum „Strategischen Flächenmanagement“ die Stärkung der kommunalen Handlungsspielräume durch einen strategischen Flächenerwerb als Ziel formuliert, welche nur durch den Aufbau einer langfristigen Flächenreserve (d. h. Bodenbevorratung über die aktuellen Bedarfsermittlungen der Fachkonzepte hinaus) erreichbar ist. Ein strategisches kommunales Flächenmanagement dient dem nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit der begrenzten Ressource Fläche und berücksichtigt neben ökonomischen auch die ökologischen, klimatischen und sozialen Belange.
Wohnungspolitische Richtlinien
Die Vergabe von kommunalen Baugrundstücken wird in den „Wohnungspolitischen Richtlinien“ als übergeordneter Strategie der Jenaer Wohnungspolitik geregelt. Diese werden mit den Stadtratsbeschlüssen Nr. 20/0482-BV zur Konzeptvergabe im Geschosswohnungsbau, Nr. 22/1740-BV zur Kriterien basierten Vergabe für Eigenheim-Grundstücke und Nr. 21/0903-BV zur Schaffung von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum entsprechend dem Jenaer Modell zum Sozialwohnungsbau aus den Jahren 2020 bis 2022 untersetzt.
Klimaverträgliche Stadtentwicklung
Der Baulandbeschluss kann die Umsetzung des Leitbildes der „Stadt der kurzen Wege“ und einer klimagerechten Stadtentwicklung unterstützen, denn der Schlüssel zu einer klimaverträglichen Ergänzung vorrangig kernstadtnaher, kompakter und nutzungsgemischter Strukturen liegt im kommunalen Zugriff auf den Boden. Eine Flächenreserve im kommunalen Eigentum eröffnet Gestaltungsoptionen und schafft eine Basis für die schnelle, kostengünstige Bereitstellung der erforderlichen Flächen.
Strategiebausteine des Jenaer Baulandmodells
Das Jenaer Baulandmodell Wohnen setzt sich aus den folgenden vier strategischen Bausteinen zusammen (siehe auch Anlage 1 „Übersicht zu den Strategiebausteinen“ im Downloadbereich):
Baustein A – Entwicklung kommunaler Flächen
Kommunales Flächeneigentum ermöglicht die kurzfristige Umsetzung einer sozialgerechten, nachhaltigen und städtebaulich qualifizierten Baulandentwicklung. Um die quantitativen und qualitativen Ziele der Baulandentwicklung erfüllen zu können, werden in Jena – neben privaten Flächen – verstärkt städtische Flächen, die in der jeweils gültigen Fassung der Wohnbauflächenkonzeption enthalten sind, zur Baureife entwickelt.
Für Wohnbauflächen im kommunalen Eigentum werden Bauleitplanverfahren bedarfsgerecht eingeleitet. Die Planung, Erschließung und Vermarktung obliegen der Stadt. Dabei kommen die „Wohnungspolitischen Richtlinien der Stadt Jena“ zur Anwendung (20/0482-BV zur Konzeptvergabe im Geschosswohnungsbau und 22/1740-BV zur Kriterien basierten Vergabe für Eigenheim-Grundstücke). Weiterhin unterstützt die Stadt auf ihren Flächen gemeinschaftliche Wohnbauprojekte (Stadtratsbeschluss 21/0989-BV ).
Zukünftig gilt für Wohnbauflächen, die für den Geschosswohnungsbau mit mindestens 15 Wohneinheiten vorgesehen sind, ein Mindestanteil von 30 Prozent für die Schaffung von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum. Voraussetzung für die Umsetzung dieses Zieles ist eine entsprechende Förderkulisse des Freistaates Thüringen.
Baustein B – Strategischer Flächenerwerb und langfristige Bodenvorratspolitik
Zur Deckung des laufenden Flächenbedarfs zur kurz- und mittelfristigen Projektentwicklung sowie zum Aufbau eines langfristigen Bodenvorrates sind frühzeitig und in ausreichendem Umfang Flächen durch die Stadt zu erwerben. Die Stadt Jena (Eigenbetrieb KIJ) erwirbt künftig verstärkt Flächen, die insbesondere im jeweilig aktuellen Wohnbauflächenkonzept enthalten sind. Darüber hinaus kauft sie weitere für eine Entwicklung geeignete Flächen, Flächen für naturschutzfachliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, zum Tausch geeignete Flächen sowie Flächen im Sinne einer langfristigen nutzungsoffenen Flächenbevorratung freihändig auf.
Seitens KIJ steht die Abteilung Flächenmanagement Eigentümern mit Verkaufsabsicht als Ansprechpartner zur Verfügung und begleitet von der ersten unverbindlichen Anfrage bis hin zum Kaufvertragsabschluss den gesamten Ankaufprozess.
Die Stadt Jena wird in Zukunft die Nutzung des Allgemeinen (§ 24 BauGB) und Besonderen Vorkaufsrechts (§ 25 BauGB) fortführen und intensivieren. Hierbei werden die Möglichkeiten zum Erlass von Vorkaufsrechtsatzungen durch die Stadtverwaltung geprüft und dem Stadtrat jeweils zur Beschlussfassung vorgelegt.
Baustein C – Kooperative Entwicklung von Wohnbauflächen
Die Stadt Jena setzt weiterhin auch auf das Engagement und die Einbindung Privater in die Baulandentwicklung. Der Strategiebaustein C basiert auf dem Fall, dass sich die zu entwickelnden Flächen im Eigentum Dritter befinden, und weist mit den Bausteinen C1 und C2 zwei Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Privaten bei der Baulandentwicklung aus.
C1 - Angebots-Bebauungsplan
Zukünftige Angebots-Bebauungspläne entwickelt und erschließt die Stadt bei vollständigem Zwischenerwerb der entsprechenden Grundstücke (100 Prozent der Entwicklungsfläche).
Auf diesen Bauflächen wendet die Stadt bei der Vermarktung die Konzeptvergabe (20/0482-BV) sowie die Eigenheimrichtlinie (22/1740-BV) an.
Die Stadt kann, insbesondere zur Herstellung selbstgenutzten Wohnraumes oder des Wohnungsbaus durch Bestandshalter, vormaligen Eigentümern auf Wunsch ein anteiliges Rückübertragungsrecht der erschlossenen Bauflächen zusichern, wobei der Vermarktung durch Konzeptvergabe und/oder Eigenheimrichtlinie regelmäßig der überwiegende Anteil der Flächen zukommen soll. Die Rückübertragung erfolgt zum ursprünglichen Ankaufspreis zuzüglich der anteiligen Kosten der Baulandentwicklung.
C2 - Vorhabenbezogener Bebauungsplan
Mit der Anwendung von vorhabenbezogenen Baubauungsplänen besteht weiterhin ein wichtiges Instrument zur Bereitstellung von Wohnraum durch Dritte. Dem Vorhabenträger (Wohnungsunternehmen, Private) obliegt die Entwicklung, Errichtung und Vermarktung des Wohnbauprojektes. Der Vorhabenträger verpflichtet sich mit der Unterzeichnung einer Projektentwicklungsvereinbarung (siehe Anlage 2 „Entwurf für die Absichtserklärung zur Projektentwicklung“ im Downloadbereich) dazu, die Grundsätze des „Jenaer Baulandmodells Wohnen“ anzuerkennen.
Zukünftig soll mit dem Vorhabenträger im städtebaulichen Vertrag, sofern ein quartiersbezogener Bedarf vorliegt und eine entsprechende städtische Priorisierung vorgenommen wurde, regelmäßig ein Mindestsatz von 30 Prozent zur Schaffung von gefördertem Wohnraum vereinbart werden. Für Wohnbauprojekte im kleinteiligen Segment soll die Vermarktung von Eigenheimen mit einer Quote von mindestens 30 Prozent an die „Richtlinie für eine Kriterien basierte Vergabe städtischer Eigenheim-Grundstücke“ (22/1740-BV) angelehnt werden und gemäß der darin verankerten Vergabekategorien 1 und 2 (Vergabe auf Basis von sozialen Kriterien sowie teilweise zusätzlich unter Berücksichtigung der Einkommenssituation der Bewerberhaushalte) erfolgen. Darüber hinaus sichert der Vorhabenträger die Übernahme von Kosten und weiteren Aufwendungen zu. Zur Lösung von Planungsaufgaben und der Sicherstellung einer städtebaulichen Qualität kommen regelmäßig wettbewerbliche Verfahren zur Anwendung.
Baustein D – Mobilisierung der Wohnbauflächen mit übergeleitetem Bebauungsplan
Wohnbauflächen mit übergeleiteten Bebauungsplänen (E-Flächen der „Wohnbauflächenkonzeption Jena 2035“) stellen ein wesentliches Potential für die Schaffung von Wohnraum in Jena dar. Hier besteht bereits Baurecht, jedoch stehen umfangreiche Hemmnisse einer Flächenmobilisierung entgegen. Die potenziellen Bauflächen verteilen sich i.d.R. auf eine Vielzahl von Eigentümern, es fehlt zum Teil an der notwendigen Mitwirkungs- bzw. Verkaufsbereitschaft der Eigentümer und die Erschließung ist nicht gesichert.
In den übergeleiteten Bebauungsplänen wird die Stadt Jena die Erschließungsplanung für unbebaute Potenzialflächen vorantreiben und durch – zunächst freiwillige und nachgeordnet hoheitliche – Umlegung die Bebaubarkeit sicherstellen.
Umsetzungsprozess
Der Beschluss zum „Jenaer Baulandmodell Wohnen“ ist ein politischer Grundsatzbeschluss. Dieser enthält die generellen strategischen Ziele und Leitgedanken der Jenaer Wohnbaulandpolitik. Zur inhaltlichen Ausgestaltung wurden im Beschluss eine Reihe von Prüfaufträgen formuliert, die im nun folgenden Umsetzungsprozess durch eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe bearbeitet werden.
Die Stadt Jena strebt eine angemessene und gerechte Verteilung der Bauland-Entwicklungskosten zwischen den Planungsbegünstigten und ihr selbst an. Die planungsbegünstigte Person soll nachhaltig an den Kosten und weiteren Aufwendungen der Baulandentwicklung beteiligt werden. Zu Inhalt und Umfang dieser Beteiligung werden durch die Stadtverwaltung in einem nächsten Arbeitsschritt verbindliche Regelungen erarbeitet.
Mit dem politischen Grundsatzbeschluss wurde die Stadtverwaltung des Weiteren beauftragt zu prüfen, inwieweit zur Absicherung der künftigen Finanzierung von Flächenankäufen und -entwicklungen die Einführung eines revolvierenden Liegenschaftsfonds zweckmäßig ist. Die Einnahmen der Baulandentwicklung fließen dem Fondsvermögen wieder zu und sollen möglichst zweckgebunden für weitere Flächenbevorratung und/oder Baulandentwicklungen eingesetzt werden.
Im Rahmen der Anwendung des Baulandmodells kann es darüber hinaus erforderlich sein, die bodenpolitischen Instrumente inhaltlich zu konkretisieren und passgenau weiterzuentwickeln. Über die Fortschritte des Jenaer Baulandmodells soll ab 2026 berichtet werden.
Häufig gestellte Fragen
1. Welche Herausforderungen bestehen bei der Umsetzung des Baulandmodells?
Ein Baulandmodell kann generell ein wirksames Instrument sein, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, aber es erfordert eine klare Strategie, politische Unterstützung und eine langfristige Bodenpolitik. Zu den größten Herausforderungen gehören folgende Aspekte:
Flächenverfügbarkeit
Die Stadt Jena besitzt nur wenig eigenes (Wohn)Bauland und muss es erst ankaufen. Private Eigentümer verlangen oftmals hohe Preise oder halten Flächen teilweise zurück, um von ggf. steigenden Werten zu profitieren. Um diese Spekulationsobjekte in zukünftiges Wohnbauland verwandeln zu können, strebt die Stadt Jena einen frühzeitigen Flächenankauf und die stärkere Nutzung von Vorkaufsrechten an (Strategie-Baustein B). Die langfristige Bevorratung von potenziellen Wohnbauflächen soll der Stadt die Möglichkeit geben, auf unrealistische Preisvorstellungen reagieren und eine Entwicklung an anderer Stelle starten zu können.
Fördermittelbereitstellung
Sozialer Wohnungsbau erfordert Fördermittel, die mit der aktuellen „Richtlinie zur Förderung des bezahlbaren Wohnens im Freistaat Thüringen“ (07/2023) nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen. Hier muss die Stadt Jena auf den Freistaat Thüringen einwirken, um attraktive Förderbedingungen bereit zu stellen und somit die Schaffung von sozialem Wohnraum absichern zu können.
Personelle und finanzielle Ressourcen der Stadt
Die erfolgreiche Umsetzung des Jenaer Baulandmodells ist mit zusätzlichen und intensivierten Arbeitsaufgaben verbunden. Die verstärkte städtische Ankaufspolitik und die mit dem Baustein C1 verbundene Steuerungstätigkeit der Stadt (Planung, Erschließung und Vermarktung neuer Wohnbauflächen) führen beim städtischen Eigenbetrieb KIJ zu einem deutlich erhöhten Bedarf an finanziellen und personellen Kapazitäten. Gleiches gilt für den Fachdienst Stadtplanung infolge der Intensivierung bei der Durchführung von Planverfahren, für Vorbereitung, Abschluss und Kontrolle städtebaulicher Verträge, eine fortlaufende Prüfung der Angemessenheit sowie für die Erarbeitung und den Erlass von Vorkaufsrechtssatzungen.
2. Welche Bedeutung hat das Jenaer Baulandmodell für Privateigentümer?
Das Baulandmodell hat direkte Auswirkungen auf private Flächeneigentümer, insbesondere wenn sie Grundstücke in potenziellen Baugebieten für eine Wohnbauentwicklung besitzen.
Die „Wohnbauflächenkonzeption Jena 2035“ weist die für Jena geplanten Wohnbauflächen aus. Diese Flächen werden folglich auch im Flächennutzungsplan als solche dargestellt. Potenzielle neue Bauflächen im Außenbereich (z.B. Grün- oder Gartenland) besitzen jedoch noch kein Baurecht.
Entwicklungsstufen von Bauland
Bis hier eine Wohnbebauung möglich ist, durchläuft die Fläche unterschiedliche Entwicklungsstufen. Baurecht wird erst über einen verbindlichen Bebauungsplan geschaffen. Mit dem Vorliegen des Einleitungsbeschlusses für den Bebauungsplan entsteht „Bauerwartungsland“. Mit dem rechtskräftigen Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan spricht man von „Rohbauland“. Erst mit Fertigstellung der Erschließung – also dem Bau von Straßen und dem Verlegen von Medien der Ver- und Entsorgung – entsteht „baureifes Land“. Mit diesen Entwicklungsstufen ändert sich in starkem Maße auch der Wert des Grundstücks. Dies sollte bei den Preisvorstellungen berücksichtigt werden.
Flächenankauf durch die Stadt
Besteht seitens der Flächeneigentümer heute oder für nachfolgende Generationen der Wunsch, Wohngebäude auf Flächen ohne Baurecht zu errichten, wird dies zukünftig nur noch in Kooperation mit der Stadt Jena möglich sein. So genannte Angebots-Bebauungspläne erarbeitet die Stadt ausschließlich, wenn sie im vollständigen Eigentum der erforderlichen Grundstücke für die geplante Wohnbaufläche ist. Die Stadt kauft die Flächen daher proaktiv und möglichst frühzeitig an. Dafür nutzt sie das gemeindliche Vorkaufsrecht und erlässt bei Bedarf Vorkaufsrechtssatzungen (§ 25 BauGB). Mit jedem (Alt-)Eigentümer, der ein eigenes Wohngebäude errichten möchte, prüft die Stadt, ob die Option auf anteilige Rückübertragung der Baugrundstücke ein sinnvolles Angebot darstellt. Diese Art der Kooperation ermöglicht es dem Flächeneigentümer, weitgehend risikofrei und mit hoher Planungssicherheit baureifes Land zu erhalten.
3. Welche Vorteile bietet das Baulandmodell für Projektentwickler?
Das Jenaer Baulandmodell ermöglicht mit dem Strategiebaustein C2 eine Wohnbaulandentwicklung durch Kooperation mit Investoren. Die Stadt arbeitet hierbei eng mit den Vorhabenträgern (Investoren) zusammen, um sicherzustellen, dass die städtebaulichen Ziele der Stadt erreicht und gleichzeitig die Bedürfnisse des Vorhabens berücksichtigt werden. Die Investoren übernehmen die Entwicklung, Errichtung und ggf. Vermarktung des Vorhabens. Die Stadt nimmt eine koordinierende Rolle ein.
Transparenz und Sicherheit
Ein zentrales Anliegen des Jenaer Baulandmodells ist es, für die Aushandlung von städtebaulichen Verträgen nach § 11 BauGB einen geregelten Rahmen zu schaffen und somit Transparenz und Sicherheit für alle an einer Planung beteiligten Akteure herzustellen. Die Anwendung städtebaulicher Verträge erleichtert Genehmigungsprozesse und sorgt für eine bessere Kalkulierbarkeit der Kosten, Lasten und Bindungen. Eine nachvollziehbare Angemessenheitsprüfung sorgt dafür, dass die zu erbringenden Leistungen der Investoren und die für sie durch die Baulandentwicklung entstehenden Vorteile in einem angemessenen Verhältnis stehen. Unberechtigte Forderungen seitens der Stadt bzw. der Allgemeinheit können vermieden werden und die finanzielle Belastung von Investoren bleibt ausgewogen.
4. Warum möchte die Stadt Jena Umlegungsverfahren nutzen?
Die Wohnbauflächen mit s.g. übergeleiteten Bebauungsplan verfügen bereits über Baurecht. Gemäß der „Wohnbauflächenkonzeption Jena 2035“ gehören dazu die E-Flächen, welche ein nicht unerhebliches Potenzial von 256 Ein- und Zweifamilienhäusern und 160 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern aufweisen.
Mobilisierung von Baugrundstücken
Aufgrund einer Vielzahl an Flächeneigentümern und einer fehlenden Mitwirkungs- bzw. Verkaufsbereitschaft zumeist einzelner Eigentümer ist die Anwendung des Zwischenerwerbsmodells (Baustein C1) bzw. des kooperativen Modells (Baustein C2) oftmals keine realistische Option. Die Stadt Jena sieht daher in dem Instrument der Baulandumlegung eine wichtige Möglichkeit zur Bereitstellung und Mobilisierung von Baugrundstücken – für den Bau von geförderten Wohnungen, aber auch für den kleinteiligen Wohnungsbau. Das Ziel der Stadt Jena ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen, kann durch eine Blockadehaltung einzelner Eigentümer zwar erschwert und verzögert, aber nicht mehr grundsätzlich verhindert werden.
Umsetzung rechtskräftiger B-Pläne
Die Umlegung ist ein gesetzlich geregeltes Grundstückstauschverfahren, bei dem Grundstücke innerhalb eines bestimmten Gebiets neu geordnet werden, um eine zweckmäßige bauliche Nutzung zu ermöglichen. Sie dient somit der Verwirklichung des rechtskräftigen Bebauungsplanes. Ziel ist es dabei, aus zersplitterten, ungeordneten Grundstücken baureife Flächen mit einer sinnvollen Erschließung (Straßen, Wege, Grünflächen) zu schaffen. Die Eigentümer erhalten nach der Neuordnung ein gleichwertiges, aber voll erschlossenes und baureifes Grundstück zurück.
Freiwillige Umlegung
Die Stadt unterstützt zuerst eine freiwillige Umlegung, bei der sich die Flächeneigentümer auf eine freiwillige Neuordnung durch einfachen Grundstückstausch einigen. Sollte dies nicht erfolgreich sein, kann eine hoheitliche (amtliche) Umlegung zur Anwendung kommen. Zuständig ist der Umlegungsausschuss.